Von der Wollsocke zum Bikini

Die erste große Stadt, die wir in Peru anschauen, ist Arequipa. Es ist schön und entspannt, hier herum zu flanieren. Wiedermal gehen wir parallel zur Sightseeingtour auf Ersatzteilsuche. Der Kompressor hat ein defektes Teil und wie immer muss man lediglich die richtige Straße finden, die das Genre “Ersatzteile für Kompressoren” bedient – hat man die Straße gefunden, ist es ein Leichtes unter zig Läden einen auszuwählen, der das gesuchte Teil hat. Eine geschickte Sache und wieder bequemeres Reisen, wenn man die Reifen nicht mehr mit der Fahrradluftpumpe aufpumpen muss. Wir lassen es uns hier gut gehen, gehen mal wieder Essen und abends aus in die Stadt – das hatten wir eine ganze Weile nicht, dass dabei die Jacke im Auto bleibt.

Da wir uns nun festgelegt haben, dass wir von Kolumbien aus verschiffen wollen und es bis dahin noch viele Kilometer sind, müssen wir auch weiterbrettern, was auf der Küstenstraße am Pazifik in Peru gut geht. Die Panamericana ist nicht so wirklich schön, was ein schnelles Vorankommen einfach macht. Wüstenartig ist es hier, karg und vermüllt, Müll am Wegesrand, Müll in den Dörfern und Städten, irgendwie ein schräger Anblick. Da es hier nie regnet, verrottet auch nichts und das Plastik, das herumfährt, wird noch seine tausend Jahre brauchen um von der Sonne zersetzt zu sein. Abgesehen davon gibt es noch einige abgefahrene Plätze, die gerade weil es nie regnet noch erhalten sind, wie z. B. der Friedhof von Chauchilla, in dessen Schachtgräbern die Mumien so sitzen, wie man sie vor 1000 Jahren hineingesetzt hat, oder eher, wie die Archäologen sie nach allerlei Grabräuberei wieder neu positioniert haben. Ein wenig gruselig ist es schon auf diesem Friedhof, auf dem wir auch übernachten, aber in Peru darf man in Bezug auf Mumien nicht zimperlich sein, bereits einige Tage später bei den Ruinen von Sechín liegt die nächste Mumie in der Glasvitrine und sieht nicht wie eine entspannt gestorbene Person aus. Es gäbe noch einiges mehr zu besichtigen, aber wir müssen weiter und fahren jeden Tag. Wir haben gelesen, dass es am Pazifik im Norden Perus nochmal schön sein soll und man sogar Baden kann! Da fahren wir hin und tatsächlich, die Wollsocken in die Ecke gepfeffert holen wir den Bikini raus und hüpfen ins Meer, das hier sage und schreibe 27 Grad hat – endlich Urlaub, bevor es weiter nach Ecuador geht.

Schweren Herzens verlassen wir unseren Sonnenplatz und überqueren die Grenze nach Ecuador, doch das schwere Herz wird mit Eintritt in das Land wieder leicht: Abrupt ist alles grün und saftig. Hier ist es fruchtbar und es riecht tatsächlich nach Orangen. Bananen- und Cacaoplantagen säumen den Weg und wir kaufen unser erstes Aqua de Coco am Wegesrand: Eine Kokosnuss mit der Machete geöffnet und ein Strohhalm hinein und schon kann man das frische Getränk genießen. Hier also fängt der Kontinent an, exotisch zu werden, Petra genießt noch eine frische Ananas, deren Saft vom Schneidebrett trieft und tropft und Heinz freut sich über die Kochbananen, die zum Mittagessen serviert werden. So langsam bekomme ich das Gefühl, dass wir der kargen Landschaft und den kulinarischen Entbehrungen erfolgreich entflohen sind. Wir haben gehört, dass man derzeit in Puerto Lopez  Wale sehen kann – nachdem wir die auf der Halbinsel Valdes in Argentinien verpasst haben, freuen wir uns um so mehr über diese Nachricht und buchen eine Tour auf einem kleinen Schiffchen, mit anderen Reisenden. Heinz nimmt zwar zur Kenntnis, dass ich meistens seekrank werde, geht aber davon aus, dass das nicht so schlimm werden wird für mich und dass er die 4 Stunden auf See genießen wird und viele tolle Fotos von Walen schießen kann –nun, kaum hat die Nussschale von Boot den Hafen verlassen, war Heinz und mir so übel, dass wir ohne Unterbrechung über der Reling hingen – wir haben keinerlei Bild von einem Wal, obwohl sie angeblich ganz nah waren – ein Bild konnte ich noch machen von Heinz, der leidend und grün im Gesicht auf die nächste Übelkeitswelle wartet, wir Armen! Leicht geschwächt fahren wir weiter in die nächst größere Stadt, in der es laut Reiseführer nichts zu sehen gibt. Mittlerweilen ist das eher Ansporn für uns, doch mal nachzusehen, und es gibt wiedermal was Schönes zu sehen: Der Fischmarkt ist gewaltig, das Mittagessen frisch und passt nun ja gut wieder in uns hinein und in der naheliegenden Werft ist einiges los. Noch eine Nacht am Pazifik und dann biegen wir ab, in Richtung Landesinnere, Quito, die Hauptstadt Ecuadors, wartet auf uns.  Wir schauen uns die Altstadt an und auch die Neustadt, fahren auf Straßen mit exotischen Namen wie  Amazonas mit dem Fahrrad und trinken heiße Schokolade aus Ecuador – es ist gemütlich und aufregend, die Stadt taugt uns gut.  Nach 4 Tagen in Quito fahren wir weiter, überqueren den Äquator, sehen die vielen Nullen auf unserem GPS Gerät und freuen uns: Yes, die Nordhalbkugel hat uns wieder! Wir trudeln in Ibarra bei der Finka Sommerwind ein, wo wir viele andere Reisende treffen oder sogar wiedertreffen, halten Schwätzchen und Plaudern eine Runde und freuen uns mit denen, die noch eine Weile weiterreisen können und freuen uns mit den anderen, die wie wir, langsam die Zielgerade einschlagen und zu irgendeinem Verschiffungshafen fahren. Bald wird es ernst und hurraaa, wir sehen uns wieder!

Städte Boliviens

Von den Städten, die wir in Bolivien besuchen, liegen Potosi und La Paz am höchsten. La Paz ist der höchstgelegenste Regierungssitz der Welt.  Und Sucre – die Hauptstadt – ist am schönsten. Nach Abgas stinken sie alle! Aber jetzt mal eins nach dem anderen:

Potosi ist bekannt durch den Cerro Rico, den schönen Berg, aus dem die Spanier Tonnen von Silber geborgen haben, um es nach Spanien abzutransportieren. Wenn man über Potosi im Reiseführer liest, bekommt man den Eindruck, es wäre eine grauenhafte Stadt, in der immer noch Leute in Löchern herumkriechen und Zinn suchen. Potosi hat noch Minen und ja, die Bedingungen sind hart und wenn man sieht, wie mühsam die Leute arbeiten – aber, Potosi ist auch eine coole Stadt, mit Leben und Arbeiten, mit stinkendem Verkehr und alten Häusern – und somit sehr besuchenswert.

Sucre ist wunderschön, eine alte Kolonialstadt mit Kirchen und einem Platz voller Palmen. Wir wohnen fast im Zentrum auf einem kleinen Campingplatz mit Wiese und machen wiedermal ein bisschen Urlaub.

La Paz ist heftig! Hier wohnen die, die es sich leisten können, weit unten, weil es unten mehr Luft zum Atmen gibt. Die ärmere Bevölkerung lebt auf dem Hochplateau in El Alto. Der Verkehr erstickt alles, auch die Autos ächzen an der dünnen Luft und so wird die Stadt zum Abgasmoloch.  Wir wohnen auf halber Höhe und fahren mit dem Taxi in die Stadt, wo wir auf Reifensuche gehen. Einen unserer Reifen hat es kurz vor La Paz zerrissen und wir brauchen einen Neuen. Obwohl die Stadt von Reifen und Reifenverkäufern wimmelt, ist die passende Größe nicht zu finden. Ein Reifenverkäufer bringt uns zum nächsten Taxistand und sagt dem Fahrer, wohin er uns fahren soll – nach El Alto, in die höher gelegene Stadt auf 4100 Metern Höhe, da müsste es die größeren Reifen geben. Der Taxifahrer sieht aus wie der Gangster im Spielfilm, rast und grinst vor sich hin und seine Goldzähne blitzen immer wieder im Rückspiegel auf und ums Versehen finden wir uns in der nächsten Reifenstraße wieder. Mein mulmiges Gefühl dem Taxifahrer gegenüber hat sich als völlig unbegründet herausgestellt, als wir  ihm zu viel Geld für die Fahrt entgegenstrecken, gibt er uns den Großteil zurück, zeigt uns die Ecke, an der die Sammeltaxis stadtabwärts losfahren und wünscht uns mit dem Hinweis, wir sollen uns nicht ausrauben lassen, noch einen schönen Tag. Ein richtig guter Typ, der wahrscheinlich auch Aufgrund unseres Aussehens dachte: Oh Gott, kann ich diese zwei Europäer hier schon alleine springen lassen? Er konnte! Wir haben alles gut gemeistert, sämtliche neue Begriffe was Reifen angeht auf spanisch dazugelernt und wenn man im Auftrag des Reifens in El Alto unterwegs ist, ist das auch eine ernsthafte Sache und jeder sieht einen eher als LKW Fahrer und weniger als Touristen an.

Nach 5 Tagen Reifen und pochend stinkender Großstadt haben wir genug und fahren weiter an den Titicacasee. Der See mit dem äußerst witzigen Namen liegt, kaum hat man die Stadt hinter sich gelassen, erstaunlich einsam da. Eigentlich ziemlich schön! Doch: Auch wenn es unsere Leser bald nervt, genau so hat es mich genervt und körperlich angestrengt: Auch der Titicacasee liegt auf 3800 Metern Höhe und nach Wochen in diesen Höhen und in der Kälte wollte ich (Petra) nicht mehr! Nein! Ich will auf Meereshöhe!!!! Ich will wieder dicke Luft, die hier oben – wenn überhaupt – lediglich mental herrscht! Deshalb brausen wir relativ rasch weiter, mit der Fähre über den See, vorbei am Wallfahrtsort Copacabana, wo man Autos segnen lassen kann, wahrscheinlich hat unser Auto so ein bisschen Segen abbekommen, es stand während der Zeremonie daneben. Weiter am See entlang, über die Grenze nach Peru, noch einmal über einen Pass in 4600 Metern Höhe und dann, dann endlich!!!! Hurraaaaa, die Straße geht steil bergab immer weiter geht’s bergab und mit mir bergauf! Die ganzen roten Blutkörperchen sind wieder arbeitslos und unterstützen nur noch nach Bedarf, sollte die nächste Stadt Arequipa anstrengend zu erkunden sein – das wird sich zeigen! Bis dahin, liebe Grüße, Petra und Heinz: Atmend!